
6 Fragen an Angelika Polak-Pollhammer
Warum Literatur?
Lesen war für mich schon in der Jugend Rückzug und Aufbruch gleichzeitig. Sobald das Buch aufgeschlagen war, vergaß ich alles um mich herum. Ich war jemand anderer, lebte in fernen Ländern, bereiste unbekannte Planeten, konnte Berge besteigen, in einem Schiff den Pazifik überqueren, war Forscherin, Detektivin, Superheldin. Noch heute kann ich in einem Buch versinken. Für kurze Zeit ist die Welt in Ordnung. Und nicht zuletzt bringt mich Literatur zum Nachdenken und lässt mich im besten Fall um eine Erkenntnis reicher sein.
Warum Dialektliteratur?
Weil der Dialekt – besonders in der Lyrik – noch ein wenig tiefer schürft. Er spürt auf, was ganz tief in den Menschen ist. Rührt an etwas. Im Dialekt habe ich die Möglichkeit, mit nur einem Wort ein ganzes Universum hereinzulassen.
Habelen zum Beispiel: In der Schriftsprache gibt es dieses Wort nicht und es lässt sich auch nicht mit liebkosen übersetzen. Es bedeutet viel mehr. Sich Zeit nehmen, Stille, Nähe, weckt Erinnerungen an Gerüche, Orte und Menschen. Eine kurze Erklärung bei Lesungen, dass man als Elternteil sein Kind habelet, reicht, und jede und jeder weiß, was gemeint ist und wie sich das anfühlt.
Gefühle von Wohligkeit und Heimat bergen natürlich eine gewisse Gefahr: sich unversehens auf einer Gratwanderung zwischen Heimattümelei und falschem Patriotismus wiederzufinden. Deshalb soll der Dialekt keine Scheu vor gesellschaftlich brisanten Themen zeigen und Fragen scharf formulieren. Auch das gelingt über seine Knappheit.
Gibt es Vorbilder?
Ja, die gibt es. Aber nicht dieses eine. Weder im Schreiben noch im Leben. Mehrere Menschen haben mich beeindruckt, mir Dinge gezeigt, mich ein Stück des Weges begleitet, ihre Geschichte mit mir geteilt. Einige davon älter, andere jünger. Einzelne sind Frauen aus meiner näheren Umgebung. Mutig und stark. Sie verloren ihre Lebensfreude trotz widriger Umstände nicht.
Eine, welche ich aus der Ferne bewundere, über sie und von ihr lese, ist Alice Munro. Ihr Bild in der Zeitung, als sie den Literaturnobelpreis verliehen bekam, ist mir noch in guter Erinnerung. Das Strahlen ihrer Augen, umrahmt von Krähenfüßen, eine „weise Alte“.
Was liest du gerade?
Wie immer mehrere Bücher gleichzeitig. Gerade fertig gelesen habe ich „Die Erfindung der Welt“ von Thomas Sautner. Das nächste im Stapel ist „Adas Raum“ von Sharon Dodua Otoo.
An welches Ereignis denkst du besonders gerne zurück?
In diesen besonderen Zeiten:
– an das letzte Livekonzert vor Corona am 7. März 2020 (Drehwerk und
Andy Steiner Trio)
– an den Poetry Slam im Alten Kino Landeck im Oktober 2020 mit Maske
und Abstand (war ein Lichtblick und Hoffnungsschimmer)
Als Autorin:
– an das Auspacken des Paketes mit den Exemplaren meines ersten eigenständigen Lyrikbandes und die Präsentation dazu
Und als Frau:
– an die Geburt meiner drei Söhne
Woran arbeitest du derzeit?
Einem Prosaprojekt. Das wollte ich schon länger. Bisher haben mir jedoch Zeit und Struktur gefehlt. Nun versuche ich mich darin.
Dann gibt es da noch ein Herzensprojekt, welches fast fertig ist. Fotos und Texte. Sie entstanden letztes Jahr auf meinen Coronawanderungen. Und natürlich ein Lyrikprojekt im Dialekt – „Mein Herbarium der (Un-)kräuter“.
(18. April 2021)