Daniela Dangls Texte bewegen. Und sie leben von einem ur-österreichischen Sound. Dieser Tage ist ihr erster Erzählband „Lichte Schatten“ in der Literaturedition Niederösterreich erschienen.
Für unsere Ausschreibung zum Thema „Gschroppn, Rotzpipn und Herzbinkerl“ hat sie an der HLW Horn ein Dialektliteratur-Projekt gestartet.

Daniela Dangl
Foto © Bernhard Dangl
MORGENSCHTEAN: Deine Kurzgeschichten bestechen durch einen scharfen Blick, der ziemlich weh tun kann. Oft geht es um Kindheit, ums Aufwachsen, ums Den-Erwachsenen-Ausgeliefert-Sein. Woher nimmst du deine Ideen, und wie entstehen deine Texte?
DANIELA DANGL: Manchmal ist es ein kurzes Aufblitzen einer Erinnerung, manchmal eine Phrase, die sich plötzlich Zugang zu meinem Hirn verschafft, die sich aus einem Bereich in meinem Kopf herausgeschält hat und mich dann beschäftigt. Es sind Dialoge, die ich höre, oder Blicke, die ich irgendwann einmal gespürt habe und die ich wieder irgendwo sehe. Sehr oft geben mir die vierteljährlich festgesetzten Themen aus der Literaturzeitschrift DUM vor, in welche Richtung ich denken sollte, wenn ich einen Text schreiben und einreichen möchte. Ich brauche einen Ansporn bzw. ein Abgabedatum, sonst würde mich der (berufliche) Alltag dazu verleiten, mein Schreiben hintanzustellen.
Ich brauche aber freie Tage, um mich meinen Hirngespinsten widmen zu können, denn ich bin eine Langsamschreiberin, die acht, zehn Stunden am Stück schreibt – vor allem, wenn es passiert, dass ich in meiner Geschichte versinke.
MORGENSCHTEAN: Liest man deinen unlängst erschienenen Band »Lichte Schatten«“, merkt man: Da sitzt jedes Wort, da ist jeder Dialog wohl überlegt. Vor allem aber fällt auf, dass hier kein Satz zu viel ist, auch dramaturgisch sind deine Kurgeschichten gut durchdacht. Überarbeitest du deine Texte oft?
DANIELA DANGL: Meine Geschichten sind alle gut abgehangen 🙂
Ich schreibe und dann streiche ich, fange die Geschichte wieder ein, wenn sie mir zu entgleiten droht, weil sie in eine Richtung gegangen ist, die ich nicht konzipiert habe – die aber oft besser ist -, gebe die Rohfassung meinem Mann, der ein gutes Gespür für Textstellen hat, über die ich gestolpert bin. Sehr oft bekommt auch meine Mentorin die Geschichte zu lesen und kommentiert sie. Wenn ich nach dem x-ten Überarbeiten die Geschichte nicht mehr lesen mag, bin ich fertig mit ihr.
Vieles, was ich schreibe, wirkt vielleicht lapidar, dahinter steckt jedoch eine bewusst gewählte Reduktion. Ich möchte mit Leerstellen arbeiten, die die Rezipientinnen und Rezipienten meiner Texte mit ihren eigenen Erfahrungen füllen sollen. Das finde ich spannend. So entstehen unzählige Geschichten, auf die ich keinen Einfluss mehr habe, und nicht nur meine.
MORGENSCHTEAN: Du bist im Waldviertel aufgewachsen, du lebst auch heute wieder dort, hast aber auch eine Zeitlang in Wien gelebt. Hat sich diese Pendelbewegung auf dein Schreiben ausgewirkt? Und hattest du diesen speziellen Ton, der ja ein sehr österreichischer ist, auch schon in deinen frühen Texten?
DANIELA DANGL: Einen eigenen Ton hatte ich bald gefunden, die Verankerung im Waldviertel ist erst in den letzten drei Jahren »passiert«, weil ich einen roten Faden für meinen Erzählband gesucht und ihn über die Sprache erschlossen habe.
Die Jahre in der Großstadt gehören wie meine Kindheit am Land zu meinem Leben, haben mich geprägt, verändert – wie alle Abschnitte, Erfahrungen, Erlebnisse jemanden zu einem Menschen mit einer Geschichte machen. Ich schätze die Möglichkeiten einer Großstadt, manchmal auch die Anonymität, Heimat ist mir die Stadt nicht geworden – ich brauche den Wald, um denken zu können.
MORGENSCHTEAN: Du schreibst auch im Dialekt, seien es Kurzgeschichten oder Gedichte. Manchmal überträgst du deine Texte sogar vom Hochdeutschen in den Dialekt. Wann entscheidest du dich für welchen Ton? Und wie gehst du bei diesen »Übersetzungen« vor?
DANIELA DANGL: Ich spreche zuhause Dialekt, ich denke komplizierte Gedanken in Hochsprache. Geschichten schreiben sich wie selbstverständlich in Hochsprache, möglicherweise, weil 98 % der Texte, die ich lese, auch in Standardsprache verfasst sind. Ganz tiefe Emotionen kommen aber bei mir im Dialekt daher – deshalb sind die Dialoge in meinem Erzählband auch im Dialekt. Sie sind authentisch, rudimentär, ohne künstlich geschaffene Fassade. Aussagen können sich in meinen Dialogen nicht mehr hinter einer Form verstecken. Es sind kurze, harte Sätze. Ich bin zwischen Menschen aufgewachsen, die nicht viel reden. Dem Schweigen Worte zu geben, habe ich mir in meinen Texten zur Aufgabe gemacht.
MORGENSCHTEAN: Für die aktuelle Ausgabe hast du dich nicht nur selbst mit einem Gedicht – beworben, sondern auch deine Schüler:innen ermutigt, Texte im Dialekt einzusenden. In der Redaktion waren wir von der Qualität dieser Einreichungen überrascht, auch von der nahezu perfekten Niederschrift des Dialekts. Hattet ihr dazu ein Projekt im Unterricht?
DANIELA DANGL: Ich habe mit meinen Schülerinnen und Schülern ein bisschen Sprachgeschichte gemacht, wir haben uns Texte aus dem Althochdeutschen und dem Mittelhochdeutschen angeschaut, haben Wörter und Lautverschiebungen mit anderen Sprachen verglichen und versucht herauszufinden, welche Dialektwörter Omas und Opas noch verwenden, die nicht mehr im Sprachgebrauch der Jungen vorkommen. Wir haben uns mit Lyrik auseinandergesetzt, Reimschemata und Versfüße besprochen und versucht, herauszufinden, wie wir einen Text so verknappen können, dass nur noch die Essenz übrigbleibt. Zusätzlich arbeiteten wir mit rhetorischen Figuren.
Hilfreich war vor allem die Beschäftigung mit modernen lyrischen Texten, die wir uns online angehört haben. Die Ausgabe des Dialekt-ShoG »Aber bitte mit Fahne!« (www.oeda.at/radio) war hier unser Lern-/Hörmaterial.
Danach bekamen meine Schülerinnen und Schüler Zeit, über sich selbst nachzudenken und das aufzuschreiben, was sie aktuell bewegt. Sie durften sich die Texte gegenseitig vorlesen oder der gesamten Klasse. Wer seinen Text lieber privat halten wollte, musste ihn nicht vortragen.
Ich war überrascht, wie klar manche ihre Emotionen in Worte fassen konnten – und wie viel Vertrauen sie uns schenkten, ihre Gefühle zu teilen. Wer wollte, schickte mir seinen Text, den ich ein bisschen lektorierte (einheitliche Niederschrift), um ihn an den Morgenschtean weiterzuleiten. Dass wir die Jury überzeugen konnten, hat uns wahnsinnig gefreut!
Hinweis:
Daniela Dangl und Schüler:innen der HLW Horn lesen am 22.5. bei der Präsentation der neuen Ausgabe – um 19.00 im Café Anno in Wien
Die Texte der Schüler:innen können im Morgenschtean gelesen werden – sowohl in der Printausgabe als auch der Beilage. Ein paar Texte davon sind auch schon auf unserem Blog.
Veröffentlicht am 26.4.2025
Die Fragen hat Margarita Puntigam-Kinstner gestellt